Grenzgänge

der grenzübergang waltersdorfer chaussee war einer der übergänge die schon am 9. nov 89 geöffnet wurden. es muß gegen 24:00 uhr gewesen sein, als ich auf genau dieser plattform stand, als mir ein gedanke durch den kopf ging: was währe, wenn das alles hier wirklich wahr währe?

An dieser Stelle habe auch ich das erste Mal 'westdeutschen' Boden betreten. Der Trabbi war am Flughafen Schoenefeld geparkt und zu Fuss ging es nach Rudow. Dort waren extra Pendelbusse der BVG eingesetzt, mit denen man kostenlos bis zum naechsten U-Bahn Knotenpunkt gebracht wurde. Ich war 20 und doch ueberzeugt nicht altbacken gekleidet zu sein. Ein Irrtum musste ich annehmen, denn in jedem Laden wusste man sofort wo ich her komme und wortlos griff man unter den Ladentisch wo die gratis Probeflaeschen lagerten. Die groesste Peinlichkeit war jedoch das Abholen der 100DM Begruessungsgeld,- wuerdeloses Balgen, Schreien, Schieben und ich gehoerte dazu. Eine Beamtin schaute ueberfordert und schockiert auf eine junge keifende Frau, die mit einem Saeugling wild vor ihrem Schalter rumfuchtelte. Im Bus zurueck zum Grenzuebergang konnte ich neben mir zwei BVG Beamte reden hoeren. "Sie(die Fahrgaeste) sind heute wieder so unruhig. Ja, ganz aufgeregt, ich weiss auch nicht was heute mit ihnen los ist". Ich musste automatisch an die Kaninchen meiner Oma denken. Heute habe ich meinen Ossi-Komplex seit langem verloren. Die wahre Wertigkeit eines Menschen haengt nicht ab von seinem Geburtsort oder der Waehrung die er benutzt. Doch bin ich froh und stolz, dass ich noch weiss wie sich der 20-jaehrige Junge damals gefuehlt hat.